Gemeinde

Friede den Bäumen!

Als Bertolt Brecht im Exil in Dänemark lebte, wusste er, dass während er sich in relativer Sicherheit befand, viele seiner Freunde*innen und Weggefährten*innen sich in großer Gefahr befanden oder sogar schon inhaftiert und ermordet worden waren. Wie konnte er zugleich ein einiger-maßen friedliches Leben führen und in der fremden Heimat ungestört unter Bäumen spazieren gehen, während sich viele andere in akuter Lebensgefahr befanden. Dieses moralische Dilemma zwischen der Gewalt des Krieges zu Hause und der friedlichen Natur in der neuen Heimat im Exil wühlte den Schriftsteller damals auf und veranlasste ihn, das Gedicht „An die Nachgeborenen“ zu verfassen. Auch für uns heute ist es verstörend, dass wir hier in scheinbarem Frieden leben, während ganz in unserer Nähe ein bewaffneter Konflikt stattfindet, der uns unmittelbar betrifft. Aktuell ist Brechts Gedicht also immer noch. Und doch hat sich im Vergleich zu den Zeiten, in denen Brecht lebte, die Situation radikal geändert. Heut-zutage sind Bäume nicht mehr unschuldige Zeugen*innen des menschlichen Kriegsgeschehens, sondern auch den Bäumen hat der Mensch inzwischen den Krieg angesagt. Wälder werden massenhaft vernichtet, wertvolle und überlebensnotwendige ökologische Systeme werden kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen geopfert. Man könnte sagen, dass die, die keine Skrupel haben, Menschen zu vernichten, auch vor der Natur nicht Halt machen und umgekehrt. Weshalb denn auch, während der Krieg in der Ukraine tobt, zu-gleich Menschen hier und anderswo gegen die Vernichtung der Natur kämpfen. Eben weil beides ganz eng miteinander verknüpft ist, denn wir wissen, dass ein guter Teil dieses Krieges und anderer Kriege finanziert wird durch die ebenfalls gnaden-lose Ausbeutung von Rohstoffen. Diese aggressive Rohstoffgewinnung geht einher mit der Zerstörung der Umwelt. Der Kampf um diese und andere Rohstoffe ist auch ein Auslöser für viele bewaffnete Konflikte auf der Welt. Selbst wenn man es wollte, könnte man also heute nicht mehr vor dem Krieg in die Wälder fliehen, denn auch dort findet der Krieg seine Fortsetzung. Ein jeder Krieg ist ein Krieg gegen Menschen, Bäume, Tiere, gegen alle Kreaturen. Ganz abge-sehen davon, wieviel reale Verwüstung die unaufhörlichen Bomben- und Raketen-abwürfe konkret und wahrnehmbar in der Umwelt hinterlassen. Es hängt also wirklich alles mit allem zusammen, und der Wirtschaftskreislauf und der Naturkreislauf bilden insgesamt ein ökologisches System, aus dem wir nicht mehr aussteigen können. Deshalb ist es heute schwer, ein Gespräch über Bäume zu führen, ohne auch über das Waldsterben, über die Abholzung der Wälder im Amazonas oder die zunehmende Trockenheit in Europa zu sprechen, die nicht nur den Bäumen zu schaffen macht. Daher könnte man die Zeilen von Bertolt Brecht umformulieren, und sagen: „Was leben wir in finsteren Zeiten, in denen ein Gespräch über Bäume immer auch ein Gespräch über Zerstörung und Krieg ist!“ Aber im Umkehrschluss heißt das auch: Friede zwischen den Menschen muss auch den Frieden mit den Bäumen beinhalten und Frieden mit der Natur! Frieden mit der ganzen Schöpfung! Es geht immer um den Frieden auf Erden.

Herzlichst, Ihr

Pfarrer Diemer

Aktuelle Termine:

26.05.2022

Gottesdienst - Himmelfahrt

Donnerstag, 26. Mai, 10 Uhr, Himmelfahrt auf dem Lohrberg! Mit Pfarrer Diemer. Kollekte: Für die Ghanapartnerschaft.


29.05.2022

Gottesdienst - Exaudi

Sonntag, 29. Mai, 10 Uhr, mit Pfarrer Fingerle. Kollekte: Für die Arbeit des Ökumenischen Rates der Kirche (ÖRK).


05.06.2022

Konzert: Joseph Haydn - Die Schöpfung

Sonntag 5. Juni, Junge Kantorei, 19 Uhr. Eintritt, Vorverkauf und Abendkasse: 25 Euro regulär, 15 Euro ermäßigt, 5 Euro Kulturpassinhaber*innen. Kartenvorverkauf: www.june-kantorei.de